Reisebericht E5

Europäischer Fernwanderweg E5
4. bis 14. September 2011
ALEXANDER BREUER


Ausblick vom Gipfel des Hirzer


Vor dem ersten Schritt

Talsperre Eupen
Bereits in jüngsten Jahren bestand der Urlaub mit meinen Eltern aus Wanderungen in den Bergen oder Aktivurlaub. Egal wo wir gerade Urlaub machten, wir blieben nie lange in unserem Hotelzimmer. Wenn das Wetter es erlaubte, wurde bereits abends der Rucksack gepackt und am andern Morgen mit zum Frühstückstisch genommen, um direkt nach der morgendlichen Stärkung unsere Wanderungen anzutreten.
Diese Wanderungen haben mir damals schon sehr viel Spaß gemacht und haben mich – auch wenn die Touren damals noch recht kurz ausfielen – für meine heutigen Outdoor-Interessen sehr geprägt. 
Virginias-Erben
Im Frühjahr 2008 kam ich dann zum ersten Mal in Kontakt mit Geocaching, einer Art „Schnitzeljagd“ für Große und kleine Kinder mit GPS-Satellitentechnik, wodurch ich mir im Sommer mein eigenes GPS-Gerät zulegte und mich auf die Suche nach den ersten eigenen Caches machte. Damals wie heute begebe ich mich immer noch hin und wieder auf die Suche nach solchen Caches.
Anfang 2009 kam dann die Idee auf, zusammen mit 3 Freunden, am Oxfam Trailwalker 2009 teilzunehmen. Hierbei erwandern Teams zu 4 Personen 100km in 30 Stunden und sammeln dazu über 1500 € für die Hilfsprojekte von Oxfam Solidarität. Nach einigen Trainingstouren gingen  wir am 29. und 30. August 2009 mit unserem Team „Virginias-Erben“ an den Start. Leider mussten wir nach 74km aufgeben.
Querfeld-Eins
Die Tatsache hat natürlich den Ehrgeiz geweckt, sodass wir ein Familienteam gründeten und bereits ein Jahr später, nach intensiverem Training, mit unserem Team „Querfeld-Eins“ am 28. und 29. August 2010 erneut an den Start gingen.
Nach 27 Stunden und 45 Minuten und anstrengenden 100km erreichten wir das Ziel des Oxfam Trailwalker 2010.

Im selben Jahr habe ich den Entschluss gefasst über den Europäischen Fernwanderweg E5 die Alpen zu überqueren.

Oxfam Trailwalker 2010 - Querfeld-Eins



Europäischer Fernwanderweg
So viel zu mir. Jetzt aber zur eigentlichen Tour:
Da solch ein Vorhaben zu Zweit mehr Spaß macht und auch das Material untereinander verteilt werden kann, habe ich mir dazu einen Partner gesucht. Ende 2010 habe ich diesen dann in meiner Kollegin Franzi gefunden und wir konnten das Datum relativ schnell auf den 4. bis 17. September 2011 festlegen.
Nun konnten wir auf der E5-Checkliste fortfahren:

    X Tourenpartner finden
    X Datum festlegen
    O Kartenmaterial und Zugtickets besorgen
    O Materialliste erstellen
    O Fehlendes Material beschaffen
    O Material testen
    O Trainingstouren

Die ersten beiden Punkte hatten wir also schon erledigt. Kartenmaterial und Zugtickets waren auch schnell besorgt.
Nun musste eine detaillierte Materialliste erstellt werden. Zum einen galt es nichts zu vergessen, zum andern aber auch auf das Gewicht zu achten, da jedes Kilo Übergepäck über die Alpen geschleppt werden will. Nach zahlreichen Ergänzungen und wiederholtem Austauschen mit meiner Partnerin, war die Packliste endlich fertig. Sie zeigte mir inkl. Wasser und Nahrungsmittel ca. 17,5kg an. Schon ganz schön viel. Aber zu diesem Zeitpunkt sah ich kein Potenzial, das Gewicht noch weiter zu reduzieren.
Als nächstes stand die Beschaffung von neuem Material auf dem Programm. Da mein Trekkingrucksack aus dem Familienbestand gefühlte 15 Jahre alt ist und über kaum Komfort verfügt, war ein neuer Rucksack eine der teuersten Anschaffungen. Hinzu kamen ein Ein-Personen-Zelt sowie zahlreiche kleinere Gegenstände wie neue Messer, Kocher, Handtücher, Drogerieartikel und natürlich Nahrungsmittel.


Die nächsten Punkte auf der Checkliste waren somit auch erledigt.

    X Tourenpartner finden
    X Datum festlegen
    X Kartenmaterial und Zugtickets besorgen
    X Materialliste erstellen
    X Fehlendes Material beschaffen
    O Material testen
    O Trainingstouren

Die letzten beiden Punkte, also das Material zu testen und zu trainieren, kombinierten wir miteinander. Aus Zeitmangel blieb leider nur eine Tour übrig. Wir wählten deshalb den Rundweg um den Rursee in der Eifel. Am 30. Und 31. August 2011 umwanderten wir die Talsperre von Rurberg aus über den Nationalpark Eifel  und der Staumauer in Schwammenauel bis nach Eschauel wo wir uns einen Lagerplatz für die Nacht suchten. Nach einer erholsamen Nacht setzten wir unseren Weg weiter nach Rurberg fort und beendeten dort unser Training.
Nun war es soweit. Unsere Checkliste war abgearbeitet und wir waren bereit die Alpen zu überqueren.




Tag 1 - 04. September 2011
Seit 6.45 Uhr sitzen wir im Zug. Von Aachen fahren wir zunächst mit dem RE nach Köln. Dort dann die erste Lauferei. Nachdem wir ausgestiegen sind, gehen wir erst einmal von unserem Bahnsteig 4/5 zu Gleis 6. Blöderweise erfahren wir dann per Durchsage und auf den Monitoren: „Der ICE 513 nach München fährt heute ausnahmsweise von Gleis 5!“. Na super! Also hieß es wieder zurück auf Gleis 4/5.
Nachdem der ICE in den Bahnhof eingefahren ist und wir auch unseren Waggon gefunden haben, stellen wir fest: 6-Personen-Kabine, 4 Plätze nicht belegt und das alles direkt neben dem Bordbistro. Also erst einmal Frühstück holen und dann in der Kabine breit machen. Das wird wohl der letzte Luxus unserer Reise sein.

In Ulm gings dann wieder in einem RE nach Sonthofen und von dort mit dem Bus nach Oberstdorf (813m), wo wir um 14.10 Uhr ankommen. Der Himmel ist leicht bewölkt, aber es ist warm und die Sonne scheint.
Vor dem Bahnhof essen wir zuerst mal zu Mittag und machen uns um 14.30 Uhr auf den Weg Richtung Spielmannsau.
Während sich der Himmel immer weiter zuzieht und es anfängt zu regnen erreichen wir um 17.30 Uhr das kleine Örtchen Spielmannsau. Wir gehen hindurch und versuchen ein trockenes Plätzchen am Ortsausgang zu finden.
Lagerplatz Spielmannsau
Nach etwas Suchen und der Verhandlung über den optimalen Lagerplatz, beziehen wir um 18.20 Uhr unser Quartier direkt hinter Spielmannsau in einem leeren Holzlager. Unser Blick in die eine Richtung zeigt Spielmannsau und in die andere Richtung können wir schon den morgigen Aufstieg in Richtung der Kemptner Hütte sehen. Das ist der einzige trockene Platz bei dem mittlerweile strömenden Regen. Es ist auch leider nicht mehr so warm doch das Essen hält die Wärme bei uns. Wanderer die gerade von der Kemptner Hütte zu uns abgestiegen sind, raten davon ab, heute noch zur Hütte aufzusteigen, da der Weg und die Steine sehr rutschig sind. Wir entscheiden also vor Ort zu bleiben und füllen unsere Wasservorräte auf.
Derweil trommelt der Regen unaufhörlich auf das Wellblechdach. Nur einen stört es nicht: Unseren kleinen Besucher "Streuner", der uns von Anfang an Gesellschaft leistet.
Langsam wird es ziemlich kalt und die Dämmerung beginnt. Sobald es dunkel ist versuchen wir zu schlafen.
Es scheint so, als würde sich die Dämmerung nicht verändern. Wir überlegen, ob es wohl noch dunkler wird oder dann doch so bleibt. Um 19.45 Uhr versuchen wir dann unseren Schlaf zu finden.

Hinter uns liegen mittlerweile 11368 Schritte.





Tag 2 - 05. September 2011
Wir sind seit 06.00 Uhr wach. Dank Oropax war es eine schön ruhige Nacht. Bis auf eine kleine Unterbrechung in der Nacht, hat es ununterbrochen geregnet und es regnet immer noch. Doch bei so einem Wetter schmeckt uns um 07.00 Uhr das Frühstück umso besser.
Anschließend machen wir uns gegen 07.30 Uhr auf den Weg in Richtung Kemptner Hütte und Deutsch-Österreichische-Grenze. Und wer hätte das gedacht? Es regnet!
Der Weg zur Kemptner Hütte fängt harmlos an. Über einen langsam ansteigenden Feldweg geht es immer weiter bergauf. Doch das ist scheinbar nur der Anfang. Denn der Feldweg wechselt in einen schmalen Waldweg und dann geht es auch noch über Stock und Stein und steigt immer weiter und steiler an. Der Regen prasselt weiter auf uns herunter und wir befinden uns mitten im Nebel. Mittlerweile ist uns auch klar geworden, warum die Wanderer, welche gestern Abend abgestiegen waren, uns zu einem Aufstieg abgeraten haben. Trotzdem ist es noch einigermaßen begehbar und wir stellen uns vor, dass ein Abstieg durchaus gefährlicher ist.

Vor lauter Nebel erkennen wir auch erst im letzten Moment, dass wir gegen 10.45 Uhr bereits direkt am Fuße der Kemptner Hütte (1844m)  sind. Völlig überrascht darüber, dass wir schon an der Hütte sind, aber auch erleichtert unser erstes Ziel erreicht zu haben, kehren wir in der Hütte ein. Bei dem Aufstieg hat sich gezeigt, wie wichtig eine gute Ausrüstung ist.  Während bei mir nur die Zehen etwas nass sind, sind Franzis Schuhe völlig durchnässt. Bei unseren Hemden und Hosen hat sich das Wasser die Ärmel bzw. Hosenbeine hochgezogen. Also erstmal raus aus den nassen Klamotten und was trockenes an. Glücklicherweise hat die Hütte einen Trockenraum, der leider diesen Morgen noch ziemlich kalt ist. Da man nicht mit Schuhen den Gastraum betreten darf, lassen wir diese im Trockenraum. Franzi hat ihre Sandalen mit, ich habe hingegen auf Sandalen oder Latschen aus Gewichtsgründen verzichtet. Doch zum Glück haben einige Wanderer vor uns ihre hier vergessen. Ich suche ein passendes und sauberes Paar heraus und beschließe diese die ganze Tour über mitzunehmen.
Im Gastraum der Hütte informieren wir uns direkt über das Wetter der nächsten Tage, während wir darauf warten, dass wir etwas zu Essen bestellen können.
Die Hüttenwirtin empfiehlt uns, heute noch weiter in Richtung Holzgau abzusteigen, da das morgige Wetter noch schlechter werden soll und wir dann evtl. auf der Hütte festsitzen. Der Blick auf den Schrittzähler mit 7627 Schritten und dem Vergleich mit den Schritten am Vortag, stärken unseren Entschluss zum Fortsetzen der Tagesetappe. Gegen 13.30 Uhr ziehen wir uns die, immer noch nassen Sachen, wieder an und machen uns auf den Weg zur Deutsch-Österreichischen-Grenze.

Deutsch-Österreichische Grenze
Es ist 14.14 Uhr, als wir die Grenze (1974m) nach ca. 8600 Schritten erreichen. Trotz Regen und Nebel schaffen wir es noch ein Erinnerungsfoto am Grenzschild zu machen.
Doch wir machen uns direkt auf den Weitermarsch weiter nach Holzgau (1103m). Der Abstieg führt fast die ganze Zeit über breite Feld- und Fahrwege bis wir um 17.15 Uhr in Holzgau ankommen. Sofort klopfen wir bei der Pension Knitel an, die auch in unserem Wanderführer empfohlen wird. Leider erfahren wir dort, dass nur noch ein 1-Bett-Zimmer frei ist. Doch Frau Knitel ist so nett, dass sie uns eine zweite Matratze mit ins Zimmer legt. Das schont letztlich natürlich auch unseren Geldbeutel. Also schlagen wir zu.
Holzgau

In der Pension lernen wir Gea und Ralf aus Hannover kennen und beschließen morgen zu Viert das Taxi zu teilen, was die ganze Sache bedeutend günstiger macht. Außerdem steht im Wanderführer, dass sich der Fußmarsch zur Materialseilbahn der Memminger Hütte trist, lang und nur auf Asphalt ist.
Zu dem Zeitpunkt ahnen wir noch nicht, dass Gea und Ralf ein wichtiger Bestandteil unserer Tour sein werden.

Nach zwei Tagen haben wir bereits 29781 Schritte hinter uns gelassen.




Tag 3 - 06. September 2011
Das Aufstehen aus dem schönen warmen Bett fällt uns nicht leicht. Besonders, wenn wir an den gestrigen, völlig verregneten, Tag denken. Trotzdem stehen wir um 6.00 Uhr auf. Als erstes checken wir unsere Ausrüstung und wir stellen fest: Alles ist trocken geworden. Sogar die Schuhe im Heizungskeller sind nicht mehr nass. Während Franzi im Bad ist, versuche ich einigermaßen meinen Rucksack wieder zu packen. Anschließend tauschen wir.
Nach einem gigantischen Frühstück mit 11 (!) verschiedenen Marmeladen, frischem Brot und viel Aufschnitt, bedanken wir uns bei Frau Knitel für die tolle Gastfreundschaft und nehmen zusammen mit Gea und Ralf das 
 Taxi zur Materialseilbahn der Memminger Hütte, an der wir gegen 9.05 Uhr den Aufstieg beginnen.
Das Wetter ist super, die Sonne scheint jedoch noch auf der anderen Seite des Berges. Dadurch steigen wir auf der Schattenseite auf, was das Wandern sehr angenehm macht. Auf dem Weg zur Memminger Hütte begegnen wir der halben Flora und Fauna der Alpen. Beeren, Blumen, Salamander, Gämsen und Murmeltiere begleiten uns fast den ganzen Weg über.

Zusammen mit Gea und Ralf erreichen wir nach 5620 Schritten um 11.55 Uhr die Memminger Hütte (2242m). Dort genehmigen wir uns eine kleine Erfrischung, denken an den traumhaften Aufstieg zurück und holen uns natürlich den obligatorischen Hüttenstempel. Während Gea und Ralf auf der Hütte zu Mittag essen, steigen wir weiter zur Seescharte auf, verabreden uns dort jedoch wieder mit den Beiden. Nach einem schönen, aber anstrengenden Aufstieg über ein Geröllfeld stehen wir noch ca. 2 Meter unterhalb der Seescharte. Hinter uns haben wir einen traumhaften Ausblick zurück zur Memminger Hütte, vorbei an oberen, mittleren und unteren Seewisee. Es kommt uns wie Spott vor, als wir einige hundert Meter unter uns, zwischen mittleren und oberen Seewisee, einen Läufer scheinbar mühelos auf und ab laufen sehen.
Nun geht es die letzten Meter steil nach oben. Ohne die Hilfe unserer Hände ist mit 18kg Gepäck die kleine Kletterpartie fast nicht möglich. Ein ehemalig gespanntes Stahlseil ist 5 Meter unter uns an einem Felsvorsprung aufgerollt.

Und dann kommt er. Der eine Moment. 14.20 Uhr und 8539 Schritte seit Holzgau. Auf einer Höhe von 2599m überqueren wir die Seescharte. Ein strahlend blauer Himmel und die hoch stehende Mittagssonne begleiten den traumhaften Ausblick.
Das Gefühl, welches man in einem solchen Moment hat, lässt sich nicht in Worte fassen. Die unendlichen Weiten der Alpen lassen sich von dort aus erblicken.
Für uns ist es der perfekte Platz für unsere Mittagspause. Während das Wasser für unsere Suppe kocht, blicken wir zurück zur Memminger Hütte und entdecken Gea und Ralf bereits beim Aufstieg zu uns.
Seescharte
Während wir unser Süppchen essen quälen Gea und Ralf sich hoch zur Scharte und staunen, als sie uns dort völlig entspannt sitzen sehen. Da wir mittlerweile auch fertig sind mit essen und gerade zusammenpacken, setzen wir unseren Weg zu viert fort.
Wir wissen zu dem Zeitpunkt noch nicht, welche Strapazen der Tag noch bringen wird.
Bereits nach einer Stunde passieren wir die Oberlochalm (1799m). Dort schlägt gerade ein anderer Wanderer, welcher in die andere Richtung unterwegs ist, sein Zelt auf. Der kleine Bergbach ist zu einem kleinen Pool aufgestaut und das Wetter lädt dazu ein, hineinzuspringen. Der Platz ist so schön, dass wir sogar mit dem Gedanken spielen, auch unser Lager dort aufzuschlagen. Doch 15.30 Uhr angesichts der Tatsache, dass uns „nur“ noch knapp 3 Stunden Abstieg nach Zams bevorstehen, erscheint uns etwas früh um ein Lager aufzuschlagen. Wir konnten ja nicht wissen, dass uns das, vor allem aber Gea und Ralf, fast zum Verhängnis wird.

Der Abstieg nach Zams verläuft zunächst über schöne Wanderwege und steigt allmählich ins Tal ab. Entlang des Lochbachs zieht sich unsere Route Richtung Tagesziel. Wir gehen und gehen und gehen. Es kommt uns vor, als würde der Weg nicht sonderlich kürzer. Mittlerweile ahnen wir, dass noch ein längeres Stück vor uns lieg, als wir gedacht haben.
Mittlerweile verdunkelt sich der Himmel und die Sonne geht unter. Im Gegensatz zum ersten Abend in Spielmannsau wird es hier schlagartig dunkel.
Während Franzi und ich noch relativ gut unterwegs sind, stoßen Ralf und, vor allen Dingen Gea an ihre Grenzen. Dennoch hält sie mit ihren 52 Jahren sehr gut mit, was uns alle in Erstaunen versetzt.
Plötzlich kommen wir an einen perfekten Lagerplatz. Eine flache Ebene, Grasbewachsen, ohne Steine und sogar eine Feuerstelle. Doch da unsere beiden Wanderkollegen keine Taschenlampe griffbereit haben und der Weg ab jetzt steiler zu werden scheint, beschließen wir die Beiden ins Tal zu begleiten. Auf dem ca. eine Stunde dauernden Abstieg stellen wir fest wie gut unsere Entscheidung war. Wir sind mittlerweile alle nicht mehr so trittsicher, was das Gehen immer anstrengender macht. Gea, die mittlerweile an ihre Grenzen stößt, lässt sich nur noch von uns mitschleifen. Wir bieten beiden auch ein Notbiwak an, doch die Lichter von Zams, die immer näher kommen, treiben uns weiter ins Tal hinunter.
Endlich kommen wir auf einen ebenen Fahrweg. Das heisst wir haben es geschafft. Zams (767m).
Als wir uns von Gea und Ralf verabschieden wollen, „verbieten“ sie uns einen Zeltplatz für die Nacht zu suchen. Sie wollen uns als Dank für die Unterstützung beim Abstieg das Zimmer für die kommende Nacht bezahlen.
Da uns beim Abstieg von der Seescharte zwei Niederländer das Haus Gigele empfohlen haben, machen wir uns auch direkt auf der Suche danach. Um 21.30 Uhr erreichen wir diese kleine Pension, werden herzlich mit Tee und Bier empfangen.
Wir sprechen noch kurz über die heutige Etappe, welche vermutlich auch die anstrengendste der ganzen Tour war. Gea und Ralf beschließen, den folgenden Tag in Zams zu bleiben und einen Erholungstag einzulegen. Wir hingegen schauen uns auf der Karte schon mal unsere morgige Tagesetappe an, welche jedoch glücklicherweise mit einer Seilbahn beginnt.Wir sind alle Stolz auf uns und besonders Gea ist über ihre Grenzen hinaus gewachsen. Dafür ziehe ich den Hut vor ihr!
Nach über 12 Stunden reiner Gehzeit und unglaublichen 28381 Schritten fallen wir gegen 22.45 Uhr völlig erschöpft ins Bett. Erstaunlicherweise melden sich seit dem Oxfam Trailwalker 2010 meine Knie nochmal zu Wort und von meinem schweren Rucksack habe ich auch Schmerzen in den Schultern. Franzi hingegen hat zahlreiche Blasen. Wir hoffen beide, dass sie morgen noch weiter gehen kann.
Doch das Glücksgefühl über die erfolgreich hinter uns gelassene Mammut-Etappe und unser Allround-Mittel Franzbranntwein lassen die Schmerzen vergehen und uns schnell einschlafen.

Insgesamt haben wir bereits 58162 Schritte hinter uns gelassen. 





Tag 4 - 07. September 2011
Nach einer erholsamen und bequemen Nacht in der Pension Gigele in Zams sowie einem leckeren Frühstück machen wir uns bereit, zur Seilbahn zu gehen.
Wir verabschieden uns herzlich von Gea und Ralf. Die Beiden möchten noch einen Tag in Zams bleiben und danach die Braunschweiger Hütte umgehen oder umfahren. Wir tauschen noch unsere E-Mail-Adressen aus und machen uns dann auf den Weg.
Um 11.30 nehmen wir unsere Bahn auf den Krahberg. Von dort aus genießen wir kurz die Aussicht als wir auf der anderen Talseite unseren gestrigen Abstieg entdecken.
Gegen 11.55 Uhr machen wir uns jedoch weiter auf den Weg zum Venet.
Gipfelausblick vom Venet
Bereits um 13.20 Uhr erreichen wir das Gipfelkreuz des 2512m hohen Venet (Glanderspitze). Leider ist der Himmel stark bewölkt und der Wind hier oben ist sehr stark. Nach unserem Eintrag ins Gipfelbuch machen wir uns direkt weiter auf unseren Weg. Dieser führt uns über den Grat zum etwas tiefer liegenden Kreuzjoch.Der Wind, der über den Grat peitscht, lässt uns immer wieder straucheln und macht das Wandern sehr anstrengend. Deshalb wechseln wir auf einen etwas tiefer liegenden Weg, welcher etwas im Windschatten liegt. Am Kreuzjoch (2464m) angekommen tragen wir uns selbstverständlich auch in das Gipfelbuch ein. Da sich das Wetter immer noch nicht verbessert hat, machen wir nur eine kurze Rast am Gipfelkreuz, bevor wir mit dem Abstieg in Richtung Wenns beginnen.
Bei einem angenehmen und trockenen Abstieg genehmigen wir uns gegen 15.45 Uhr auf der Larcher Alm (1814m) ein kühles Weizenbier, bevor wir dann weiter nach Wenns gehen.

Es ist 20.21 Uhr als wir endlich nach fast einer Stunde Suchen einen geeigneten Lagerplatz finden. Wir sind jetzt ca. ½ Gehstunde vom Dorfzentrum entfernt. Dort haben wir eine leere Heuhütte gefunden.
Nachdem es dunkel geworden ist, kochen wir unser Abendessen, welches uns in diesem Umfeld natürlich besonders gut schmeckt.
Da wir den Abwasch auf den nächsten Tag verschieben müssen, gehen wir direkt schlafen.
Schon jetzt stellt sich für uns die Frage, gehen wir morgen gemeinsam über das Pitztaler Jöchl, nehmen wir beide den Bus nach Zwieselstein oder trennen sich unsere Wege für einen Tag. Franzi hat bedenken, da sie große Blasen an den Füßen und Schmerzen in den Knien hat.

Nach 23942 Schritten der heutigen Etappe haben wir bereits während der gesamten Tour 82104 Schritte zurückgelegt.





Tag 5 - 08. September 2011
Es ist 06.00 Uhr als unser Wecker klingelt denn wir haben heute einiges vor. Es war für uns eine erholsame Nacht, gebettet in weichem Heu und mit frischer Bergluft.
Soeben haben wir uns dazu entschlossen für einen Tag getrennte Wege zu gehen. Franzi hat immer noch Blasen an den Füßen und hat sich deshalb dazu entschieden mit dem Bus über Imst nach Zwieselstein zu fahren. Ich hingegen lassen mir die Chance nicht entgehen, das Pitztaler Jöchl mit fast 3000m, als höchsten Punkt des gesamten E5 zu überqueren.

Also trennen sich nun unsere Wege an der Bushaltestelle in Wenns. Während Franzi bereits im Bus sitzt und mein Zelt sowie meine Isomatte mitnimmt damit ich für den späteren Aufstieg Gewicht spare, muss ich mich noch eine Dreiviertelstunde gedulden bis auch mein Bus ankommt. Diesen nehme ich bis zur Endstation in Mittelberg. Die Haltestelle befindet sich direkt an der Talstation des Pitztaler Gletscherbahn (1736m). Von dort aus beginnt mein Aufstieg zur Braunschweiger Hütte und von dort aus weiter zum Pitztaler Jöchl.
Zunächst bewege ich mich auf einem breiten, langsam ansteigenden Schotterweg. Hin und wieder fährt ein LKW an mir vorbei, denn offensichtlich wird am Fuße des Berges mächtig gebaut. Ich passiere die Baustelle und wähle den alten und laut Wanderführer auch einfachen Aufstieg über den Wasserfall zur Braunschweiger Hütte. Der Weg verläuft jetzt über ein Geröllfeld bevor ich dann auch meine Hände zur Hilfe nehmen muss um einige Kletterpassagen zu meistern. Jetzt bin ich froh darüber, einen Teil meines Gepäcks abgegeben zu haben. Nun kommt auch noch Regen hinzu und ich bekomme das Gefühl, dass mit jedem Meter Höhe die Temperatur fällt. Nachdem ich den ersten steilen Teil des Weges passiert habe führt mich dieser nur über einen weiteren breiten Schotterweg. Offensichtlich ist dieser auch eine Baustellenzufahrt für einen höher gelegenen Bauabschnitt. Das Gehen auf diesem Weg ist sehr anstrengend.
Es ist zu steil um entspannt zu Wandern aber nicht steil genug für einen richtigen Aufstieg und der Untergrund ist zwar fest, lässt mich aber immer wieder einsacken oder abrutschen. Ich bin froh als mein Weg wieder in den Fels führt. Dort steige ich einen Weg auf, der teilweise parallel zu verschiedenen Klettersteigen verläuft. Irgendwie ein komisches Gefühl, dass auf den anderen Wegen sonst Leute unterwegs sind, die nur leichtes Gepäck dabei haben und sich mit Gurten an den am Fels angebrachten Stahlseilen sichern. Ich hingegen bin hier völlig ohne Sicherung und mit immer noch geschätzten 15 kg Gepäck unterwegs. Aber die Markierungen sagen mir, dass ich immer noch auf dem richtigen Weg bin.
Immer noch im Regen und mittlerweile unangenehmen Kälte erreiche ich um 11.00 Uhr nach genau drei Stunden Aufstieg die Braunschweiger Hütte (2759m). Es ist sehr kalt und um mich herum ist nur Nebel. Ich kann ca. 100 Meter weit schauen, bevor eine dichte weiße Suppe die Sicht versperrt. Erst einmal gehe ich in die Hütte um mich ein bisschen aufzuwärmen.
Während ich eine kleine Suppe esse und etwas trinke entscheide ich mich wegen dem schlechten Wetter, nicht über das Pitztaler Jöchl (2996m) zu gehen, sondern die Schlechtwettervariante über das Rettenbachjoch (2990m) zu wählen. Im Wanderführer steht, dass der Abstieg vom Pitztaler Jöchl immer wieder wegen Steinschlag gesperrt ist und diese Variante darüber hinaus eine Dreiviertelstunde kürzer sein soll.

Nachdem ich gezahlt und mir den Hüttenstempel besorgt habe, gehe ich weiter Richtung Rettenbachjoch. Zunächst steige ich von der Hütte ein Stück ab, bevor es danach wieder umso höher geht. Es ist immer noch sehr kalt. Nur der Regen hat etwas nachgelassen. Nach einem weiteren anstrengenden Aufstieg erreiche ich das Rettenbachjoch auf 2990 Meter. Ich habe mir den Moment irgendwie spektakulärer vorgestellt. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich so gut wie gar nichts sehe. Ich stehe im Schnee des Gletschers. Neben mir befindet sich die Bergstation eines Sesselliftes und einer Gondelbahn. Außer mir sind noch ein paar Arbeiter hier, die offensichtlich am Sessellift zu tun haben. Ansonsten ist nur eine weiße Suppe um mich herum.
Keine Möglichkeit irgendetwas wie eine Aussicht zu haben.
Da es mir hier zu kalt wird mache ich mich schleunigst auf den Weg ins Tal. Doch da entdecke ich eine Absperrung. Ausgerechnet mein Weg ist gesperrt. Ein Schild verweist mich darauf, die Gondelbahn zu nehmen. Also tue ich das auch. Mit der Bahn überwinde ich einige Höhenmeter, bevor ich meinen Weg zu Fuß fortsetze. Über einen geteerten Parkplatz komme ich zu einer kleinen Kapelle. Von dort aus steige ich auf einem schmalen Wanderweg immer weiter Richtung Tal, überquere die Straße und erreiche dann einen sehr breiten Schotterweg. Ich vermute, dass dies eine Skipiste ist. Dieser folge ich entlang eines kleinen Baches weiter ins Tal. Und jetzt scheint sich das Wetter aufzuklären. Je tiefer ich komme desto mehr durchbricht die Sonne die Wolken. Wenn ich zurückschaue sehe ich sogar das Rettenbachjoch, welches immer sichtbarer wird, da die Wolken langsam aufsteigen. Eigentlich schade. Wäre ich später auf der Braunschweiger Hütte losgegangen hätte ich vielleicht noch einen schönen Ausblick erhaschen können. Doch jetzt gibt es auch kein Zurück mehr. Also nähere ich mich mit jedem Schritt meinem heutiges Etappenziel: Zwieselstein.

Um 17.15 Uhr und nach 24342 Schritten erreiche ich endlich die DAV Talhütte in Zwieselstein. Franzi, Gea und Ralf sind auch in der Hütte. Die drei haben sich zufällig in Imst getroffen, was uns alle freut. Ich werde herzlich von den Dreien empfangen und bekomme direkt ein Bier hingestellt. Dieses schmeckt nach dieser anstrengenden Etappe besonders gut. Gea und Ralf waren für uns alle einkaufen und wir kochen gemeinsam Spaghetti. Während wir am Tisch sitzen und essen berichte ich den Anderen von meinem Tag.
Anschließend spielen wir noch ein paar Gesellschaftsspiele bevor ich noch duschen gehe und wir alle todmüde ins Bett fallen. Franzi und ich teilen uns in einem Lager zehn Betten. Irgendwie viel zu viel Platz.

106446 Schritte liegen nach fünf Tagen bereits hinter uns.




Tag 6 - 09. September 2011
Nach einer weiteren erholsamen Nacht im Bettenlager geht es Franzi nicht so gut. Ihre Blasen sind nicht kleiner geworden. Im Gegenteil. Sie hat das Gefühl, dass sie noch größer geworden sind und verursachen ihr starke Schmerzen. Doch erst einmal wird gefrühstückt.
Nach dem Frühstück packen wir unseren Rucksack zu Ende und treffen uns mit Gea und Ralf vor der Türe. Franzi hat jetzt schon Probleme die Treppe rauf und runter zu gehen. Hoffentlich schaffen wir trotzdem die nächste Etappe.
Nun sind wir etwa hundert Meter gegangen und Franzi hat immer noch starke Schmerzen. Deshalb entscheidet sie sich dazu, die Alpenüberquerung an dieser Stelle abzubrechen.



Jetzt habe ich die Wahl:

Breche ich auch ab?

Mache ich alleine weiter?



Ganz leicht fällt mir eine Entscheidung nicht. Doch ich entschließe mich dazu alleine die Tour fortzusetzen. Zum einen aus finanziellen Gründen, da ich ja schon das Zugticket für die Rückfahrt von Bozen habe, aber auch weil erst 5 Tage vorbei sind. Die ganze Vorbereitung, die Vorfreude, das ganze angeschaffte Material,…. Wäre doch schade, wenn ich hier schon abbrechen würde. Außerdem habe ich weder Blasen noch irgendwelche Schmerzen. Warum sollte ich also aufgeben, weil mein Teampartner nicht mehr weiter kann. An dieser Stelle muss ich trotz der ganzen „Team-Gedanken“ auch mal an mich denken.
Mein Entschluss steht fest: Ich gehe weiter!
Nachdem Franzi und ich uns verabschiedet haben, macht sie sich auf den Weg zum Bus und ich gehe Gea und Ralf hinterher. Die Beiden sind schon mal vorrausgegangen, haben mir aber angeboten sie zu begleiten. Über dieses Angebot bin ich auch sehr glücklich.
Um meine Weggefährten zu erreichen, muss ich etwas an Tempo zulegen, was den Aufstieg zusätzlich noch anstrengender macht.
Irgendwann habe ich die Beiden dann aber eingeholt und wir setzten unseren Weg zu dritt fort.
Mittlerweile ist es 13.15 Uhr und wir sind auf dem Timmelsjoch angekommen. Das Timmelsjoch ist mit 2509 Metern der höchste Punkt dieser Tagesetappe und gleichzeitig die Grenze zwischen Österreich und Italien.
Noch ein paar Schritte und wir kommen in Italien an. Das bedeutet für mich nicht nur ein neues Land auf der Tour, sondern auch, dass ich einmal quer durch Österreich gewandert bin. Wahnsinn. Wenn ich so zurückdenke ist es ein eigenartiges Gefühl. Ein ganzes Land durchwandert. Es war zwar der „dünne Arm“ des Landes, dennoch ändert es ja nicht an der Tatsache.
Doch zurück auf das Timmelsjoch. Bei strahlend blauem Himmel und Sonnenschein stehen wir hier oben. Wir können von hier aus schon die Dolomiten mit den Drei Zinnen sehen. Es weht ein starker Wind. Um uns herum sind viele Leute. Aber alle sind auf der Passstraße hier hochgefahren und glauben eine tolle Leistung erbracht zu haben. Die einzigen die wirklich eine Leistung erbracht haben sind ein paar Wanderer und eine Gruppe Radfahrer, die hier hochgeradelt sind.
Wir machen eine kleine Pause, sehen uns noch ein bisschen um und gehen dann weiter.
Irgendwann im Nachmittag kommen wir an einem Gasthof an der Passstraße an. Dem Gasthof Hochfirst. Da Geas Fußsohlen brennen und wir auch keine große Lust haben noch weiter zu gehen, entscheiden wir uns, hier unsere Nacht zu verbringen. Gea und Ralf nehmen ein Zimmer und ich wähle das Bettenlager für meine Nacht.
Wir verabreden uns für das Abendessen und jeder von uns geht sich erst einmal ausruhen. Vorher möchte ich aber noch duschen. Dabei stelle ich fest, dass ich mir bei dem genialen Wetter, das wir heute hatten, einen ordentlichen Sonnenbrand geholt habe. Es sieht eigenartig aus, da wir immer an der gleichen Seite des Berges gewandert sind und mein Sonnenbrand deshalb nur auf einer Seite der Beine ist. Die rechten Beinhälften krebsrot und die linken Seiten gewohnt hell.
Das Brennen des Sonnenbrandes macht mir bewusst, dass wir mittlerweile ziemlich weit südlich sind und das Klima schon recht mediterran ist. Willkommen in Italien!
Nach einem kleinen Nickerchen und dem Waschen der Wäsche genieße ich noch ein bisschen die Aussicht vom Balkon und entdecke schon den Weg für unsere morgige Etappe. 

Jetzt sitzen wir beim Abendessen. Eine ganze Hirtenpfanne mit Nudeln, Tomaten und Hackfleisch in Käse-Sahne-Soße steht zwischen mir und Ralf. Gea begnügt sich mit einem einfachen Salat. Dazu trinke ich ein kühles Bier. Nach dem Wandern könnte ich ein ganzes Schwein verdrücken. Aber den Anblick erspare ich dann doch meinen Wander-Kollegen.
Während es so langsam dunkel und kälter wird, wechseln wir von der Sonnenterasse in den Schankraum des Gasthofes. Dort genehmigen wir uns noch einen frischen Apfelstrudel und einen Obstler und es kommt die Idee auf, vielleicht morgen mit dem Bus nach Moos zu fahren und von dort aus weiter zu Pfandler Alm zu gehen. Wir entscheiden uns aber erst morgen ob es zu Fuß oder mit dem Bus weitergeht.

Nach 21284 Schritten am heutigen Tag und insgesamt 127730 Schritten falle ich müde ins Bett.




Tag 7 - 10. September 2011
Nach dem Aufstehen und einem reichhaltigen Frühstück planen wir mit Wanderführer und Karten unseren heutigen Tag. Ursprünglich hatten wir gedacht, heute mit dem Bus vom Gasthof Hochfirst nach Moos zu fahren und von dort aus weiter zur Pfandler Alm zu wandern. Da wir aber noch so viel Zeit haben und es erst der siebte Tag meiner Reise ist, ändern wir unser Vorhaben. Wir beschließen nicht den Bus zu nehmen und gehen direkt vom Gasthof bis nach St. Leonhard in Passeier.
Bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel steigen wir allmählich ab und nähern uns zunächst Rabenstein. Kurz vor dem Ort entdecken wir dann eine Gedenktafel mit einem Gedicht für zwei verstorbene Einwohner aus Rabenstein. Die Geschichte um den Tod der Beiden lässt uns jedoch schon etwas schmunzeln:

 „Zum Andenken an den ehrsamen Johann Brunner Tomelehof-Bauer *1821 in Rabenstein u. sein Freund Johann Marth Klausnerhof-Sohn *1853 in Rabenstein. Am 20. Jänner 1868 gingen beide im Schönnauer Moos auf die Jagd. Auf dem Weg dorthin kam Johann Marth zu Sturz. Dabei löste sich ein Schuß aus seinem Gewehr und traf Johann Brunner tödlich. Durch seinen Sturz wiederum löste sich ein Schuß aus seinem Gewehr und traf seinen Freund ebenfalls tödlich.“

Irgendwie können wir nicht glauben, dass sich aus beiden Gewehren zufällig ein Schuss löst und den jeweils anderen tödlich trifft. Diese Geschichte sorgt bei uns natürlich für mächtig viel Gesprächsstoff und Abwechslung. Bis in Rabenstein unterhalten wir uns darüber und wir haben am Ende eine Vermutung: Selbstmord. 1868 werden die Orte hier in den Bergen streng katholisch gewesen sein. Da im katholischen Glauben Selbstmord eine strenge Sünde ist, wollten die Angehörigen bestimmt nicht wahrhaben jemanden durch Selbstmord verloren zu haben. Die einzige erklärbare Geschichte zu diesem Zeitpunkt war für die Angehörigen eben nur ein blöder aber trauriger Zufall.
Vor lauter Verschwörungstheorien verpassen wir schon fast, dass wir schon in Rabenstein sind. Dieser kleine und friedliche Ort in den Bergen wirkt wie ausgestorben. Hin und wieder kommt ein Auto vorbeigefahren. Alte Autos mit scheinbar noch älteren Fahrern. In den umliegenden Hängen stehen die Bauern und mähen das Gras oder wenden das Heu. Auf der einzigen Teerstraße, die sich durch den ganzen Ort zieht, gehen wir weiter Richtung Moos.
Nach einem recht langen Stück auf der Straße, auf der jedoch so gut wie kein Auto fährt, verlassen wir diese und gehen weiter auf einem breiten Schotterweg. Dort erfahren wir, dass wir uns theoretisch mitten in einem ehemaligen See befinden, dem Kummersee. Dieser war 1401 durch einen Bergsturz entstanden und 1774 nach sieben Dammbrüchen endgültig gebrochen. Entlang des ehemaligen Ufers gehen wir weiter bergab und folgen der Passer flussabwärts.
Im frühen Nachmittag erreichen wir Moos in Passeier und gönnen uns dort in einem Café erst einmal eine Erfrischung. Durch den permanenten Abstieg war der Weg bis hier schon recht anstrengend. Wir entscheiden uns dazu, von hier aus mit dem Bus bis St. Leonhard zu fahren.
Während der Bus sich über die schmalen Straßen Richtung St. Leonhard windet, wird es im vorderen Bereich des Busses unruhig. Scheinbar wird ein älterer Herr in der vierten Reihe gerade ohnmächtig. Nachdem der Busfahrer angehalten hat, geht es dem Mann schon wieder besser. Offensichtlich hat er nicht genug getrunken und trotzdem in der prallen Sonne mehrere Stunden herumgelaufen. Und das ohne Kopfbedeckung.
In St. Leonhard schauen Gea und ich nochmal kurz nach dem Mann und anschließend suchen wir alle zusammen nach einer Pension. Unsere Auswahlkriterien sind neben einem günstigen Preis auch die Nähe zum Zentrum. Während Gea in einem Unterkunftsverzeichnis blättert und ich im öffentlichen Computer der Touristinformation suche, nutzt Ralf seine Füße und macht sich auf die direkte Suche nach einer Unterkunft. Plötzlich kommt Ralf verschwitzt und außer Atem aus einer kleiner Seitenstraße. Mit einem anstrengenden Gesichtsausdruck teilt er uns mit, dass es eine kleine Pension, fünf Minuten vom Dorfplatz entfernt, gefunden hat. Ich hätte nicht gedacht, dass sein wildes Umherlaufen und Suchen den schnellsten Erfolg bringt.
Wir machen uns auf den Weg zu der besagten Pension. Jetzt merken wir auch, warum Ralf so einen ausgepowerten Eindruck macht. Bei einer fast 100%igen Steigung geht es einen Fußgängerweg hoch zur Pension. Gea hat mit dieser Steigung sehr zu kämpfen und auch meine Muskeln sind nicht sonderlich erfreut über den Weg.
Nach 13312 Schritten erreichen wir die Pension Schönblick und werden herzlich empfangen.
Nach dem Duschen und einem kleinen Schläfchen machen wir uns auf dem Weg zum Abendessen. Ralf und ich haben Lust auf Pizza. Wir sind der Meinung, dass wir hier in Italien auch eine original italienische Pizza essen sollten. Also machen wir uns auf die Suche nach einer Pizzeria. Dort werden wir nicht enttäuscht und sind nach dem Essen richtig satt. Bei unserem Verdauungsspaziergang kommen wir an einem kleinen Café vorbei. Dort machen wird halt und gönnen uns, trotz des vollen Magens, noch ein Eis.
Jetzt sind wir völlig überfüllt. Wir quälen uns wieder den Berg hinauf zu unserer Pension.
Müde und mit vollem Magen lege ich mich ins Bett und nutze noch den Luxus des Fernsehers, bevor ich einschlafe.

Insgesamt habe ich schon 141042 Schritte geleistet. 




Tag 8 - 11. September 2011
Erholt und ausgeschlafen packe ich nach dem Duschen meinen Rucksack. Nach einer Woche geht das packen schon locker von der Hand. Jeder Ausrüstungsgegenstand hat seinen festen Platz. Ein Griff ins Hauptfach und ich finde das, was ich suche. Jetzt fülle ich noch meine Wasserreserven auf und kann schon fast den Rucksack schließen.
Also kann ich frühstücken gehen. Am Frühstückstisch sitzen schon Gea und Ralf. Die Auswahl ist überschaubar, liefert aber genug Energie für den Tag. Von Brötchen über Cornflakes bis zum Joghurt ist eigentlich alles da. Damit mir der Kaffee heute keine Magenprobleme bereitet trinke ich einen Tee.
Nach dem Frühstück planen wir mal wieder unseren Tag. Wegen unserer überschüssigen Zeit gönnen wir uns eine kurze Etappe. Von St. Leonhard in Passeier geht es für uns nur bis zur Pfandler Alm. Schon auf der Karte sehen wir, dass unser heutiger Weg nur bergauf geht.
Von St. Leonhard aus steigt unser Weg nur leicht an und führt uns zwischen zwei Trockenmauern über einen Schotterweg. Links und rechts fehlen nur die Olivenbäume um ein Mittelmeergefühl zu erzeugen. Obwohl das Wetter schon ein mediterranes Flair aufkommen lässt.
Wir befinden uns im Ortsteil Sandwirt. In diesem Teil von St. Leonhard wurde der Tiroler Volksheld Andreas Hofer geboren. Vor einer Informationstafel bleiben wir stehen und studieren die Geschichte über diesen Nationalhelden und dessen Geschichte. Auf einer kleinen dort angebrachten Karte erkennen wir den Verlauf des Andreas-Hofer-Gedächtniswegs, von hier aus bis zur Pfandler Alm führt und somit auch unsere Route ist.
Unser Weg führt uns weiter über einen kleinen Wasserfall und steigt kurz danach steil an. Immer wieder kreuzen wir eine Straße auf der auch verhältnismäßig viele Autos den Berg erklimmen wollen. Der Grund dafür ist der Parkplatz des zurzeit geschlossenen Pfandlerhofes. Bis hierher können die etwas bequemeren Einwohner mit dem Auto fahren und nur noch das letzte Stück zur Pfandler Alm aufsteigen. Auf dem Weg vom Parkplatz aus sind wir dann auch nicht mehr die Einzigen die sich die Alm als Ziel gesetzt haben. Ganze Familien mit drei Generationen sind auf dem steilen und anstrengenden Weg unterwegs. Vermutlich ist die Pfandler Alm das sonntägliche Ausflugsziel des Ortes. Für uns wächst die Hoffnung evtl. einen richtigen Frühschoppen mit Musik und Gesang zu erleben. Die auf dem Weg verteilten Informationstafeln kommen uns immer wieder gelegen um kurz Rast zu machen. Mittlerweile ist es ziemlich warm und der Schatten der Bäume ändert auch nicht viel daran.
Nach 9919 Schritten erscheint sie plötzlich vor uns: Die Pfandler Alm. Von der Sonne hell erleuchtet. Und laut. Die ganze Terrasse sitzt voll mit vorwiegend einheimischen Gästen. Für uns ist aber dennoch ein kleiner Platz frei. Die Hoffnung auf den Südtiroler Frühschoppen hat sich leider nicht bestätigt. Da die Hüttenwirte wegen der vielen Gäste im Stress sind, warten wir mit unserer Lagerplatzsuche und wollen erst einmal etwas essen. Wir entscheiden uns für ein Hoferbrettl das wir uns zu dritt Teilen. Ich erfrische mich dazu noch mit einem leckeren Spezi.
Nachdem wir gegessen haben und auch schon einige Gäste wieder Richtung Tal unterwegs sind, lassen wir uns unseren Platz im Bettenlager zuweisen. Wir sind die ersten im Lager was die Auswahl des Bettes für uns größer macht. Ich entscheide mich dabei für ein Einzelbett in der Ecke.
Da es erst früher Nachmittag ist, nutze ich die Zeit und die Sonne um meine komplette Wäsche der letzten paar Tage zu waschen. Manche Teile haben es auch mehr als nötig. Nach einer Stunde habe ich auch diese Arbeit erledigt und zusätzlich mein Geschirr gespült und den Trinkbeutel gründlich ausgewaschen. Also bleibt mir nur noch die eigene Körperpflege. In diesem neuen Bad mit Dusche und nicht wirklich warmem Wasser lässt es sich gut aushalten. Also nutze ich auch den riesigen Spiegel zu einer gründlicheren Rasur als in den letzten Tagen. Zum Trocknen nehme ich mir einen Liegestuhl den uns die Hütte zur Verfügung stellt, setze ich mich in die Sonne, lese in meinem Wandermagazin und studiere schon mal die nächsten Tagesetappen und eventuelle Zwischenlager.
Mittlerweile sind auch noch zwei Briten eingetroffen, denen wir schon an einem früheren Tag einmal begegnet sind. Auch ein junges Paar erscheint auf der Pfandler Alm. Bei einem langen, interessanten Gespräch erfahren wir dass die beiden den E5 in die entgegengesetzte Richtung unterwegs sind und in Meran abgegangen sind. Vor der Tour waren die beiden eine Woche Segeln in Kroatien. Ich als abenteuerlustiger Outdoorer lasse mir da doch gleich mal Näheres von berichten.
Mittlerweile ist es Abend geworden und wir sitzen in der Stube der Alm bei einem leckeren Bier. Zusammen mit dem jungen Pärchen unterhalten wir uns lange über Wandern, Segeln, Ausrüstung und Reiseziele. Eben die typischen Gespräche auf einer Hütte in den Bergen. Natürlich muss ich auch mal wieder erklären warum ich als Belgier deutsch spreche und wie Gea, Ralf und ich uns getroffen haben bzw. welche Geschichte uns auf dieser Tour etwas zusammengeschweißt hat.
Nach ein, zwei oder drei Obstlern und dem Begleichen der Rechnung gehen wir auch alle ins Bett und erholen uns für den morgigen Tag.

Insgesamt habe ich schon 150961 Schritte hinter mir gelassen.





Tag 9 - 12. September 2011
Es hat die halbe Nacht geregnet, was jedoch nichts an meinem guten Schlaf geändert hat. Es ist noch ziemlich früh am Morgen aber das Frühstück entschädigt das Aufstehen um diese Zeit. Anschließend packe ich wie jeden Morgen die letzten Sachen in meinen Rucksack, bevor wir uns vor der Türe treffen.
Als wir aufbrechen ist es angenehm kühl und die Sonne ist noch hinter dem Berg. Unser heutiges Tagesziel ist die Hirzer Hütte.
Der Aufstieg ist recht steil und anstrengend, dennoch angenehm zu gehen. Hin und wieder stellt sich uns eine kleine Kletterpartie in den Weg, die von uns jedoch problemlos gemeistert werden. Mittlerweile sind wir auch im schwierigeren Gelände trainiert.
Nach zweieinhalb Stunden erreichen wir bereits die Mahdalm (1990m). Dort gönnen wir uns eine kleine Pause bei Bier und traumhaftem Ausblick. Um uns herum sind viele Leute. Mit leichtem Schuhwerk, Gehhilfen oder Rollatoren. Offensichtlich sind die nicht zu Fuß aus dem Tal hierher aufgestiegen. Wir vermuten, dass sie in der Nähe der Hirzer Hütte mit der Seilbahn hochgefahren sind.
Unser weiterer Weg ist ein breiter Fahrweg und bis auf ein paar Steigungen sehr schön zu gehen. Er führt uns vorbei an der Hintereggalm (1974m) und bringt uns unserem Tagesziel immer näher.
Nach etwa 40 Minuten entdecken wir etwas entfernt die Hirzer Hütte (1983m).
Die Hütte ist gemütlich und durch zahlreiche Um-, Aus- und Anbauten relativ groß. An die Anfänge der Hütte erinnert nur noch die kleine ursprüngliche Hütte, die mittlerweile gar nicht mehr genutzt wird.
Wir lassen uns erst einmal unseren Lagerplatz zuweisen um unser Gepäck abstellen und uns frisch zu machen.
Nach der angenehmen Dusche sitzen wir auf der Sonnenterasse, essen eine Kleinigkeit und genießen die Sonne. Ich schaue schon mal auf der Karte nach der morgigen Etappe und kann auch schon die Wegmarkierung an der Oberen Scharte erkennen.
Heute haben wir 12541 Schritte zurückgelegt.
Wir unterhalten und schon über die nächsten Tage. Denn ab Morgen trennen sich unsere Wege. Gea und Ralf werden vermutlich den nahegelegenen Sessellift nehmen und dann weiter nach Schenna gehen um dort noch eine freie und vor allem günstige Pension zu finden, bevor es in Meran richtig teuer wird.
Ich werde jedoch direkt wieder mit einem Aufstieg beginnen. Mein Weg führt mich über die Obere Scharte nach Meran 2000 zur Meraner Hütte und von dort aus dann nach Bozen. Dort werde ich versuchen einen Platz auf dem Campingplatz zu bekommen.

Auf meiner Tour habe ich bereits 163502 Schritte zurückgelegt.



Tag 10 - 13. September 2011
Es ist 8.10 Uhr als ich mich von Gea und Ralf verabschiede und mich auf den Weg mache. Ich beginne direkt mit dem Aufstieg zur Oberen Scharte um von dort aus auf den Gipfel des Hirzer aufzusteigen. Ich steige auf einem Geröllfeld auf und der Weg führt langsam in Schlangenlinien bergauf und bringt mich meinem ersten Ziel Stück für Stück näher. Auf der Hälfte des Weges durchquere ich eine kleine Schafsherde. Leider laufen die Tiere bei meinem Anblick direkt weg.
Noch ist es angenehm kühl, da ich mich komplett im Schatten befinde. Das macht den Aufstieg bedeutend angenehmer als in der prallen Sonne.
Für die letzten Meter muss ich sogar noch die Hände zur Hilfe nehmen und etwas klettern. Gegen 9.30 Uhr erreiche ich dann die Obere Scharte (2698m) und stehe damit von einem Augenblick zum Anderen voll in der Sonne. Zum Glück habe ich mich dieses Mal gut mit Sonnenöl eingerieben.
Hier stehe ich auch vor dem Wegweiser, den wir gestern Abend bereits von der Terrasse aus erkennen konnten. Ein Blick zurück lässt schön die Hirzer Hütte erkennen. Ebenfalls bemerke ich eine ca. 10köpfige Wandergruppe, die ebenfalls in der Hütte übernachtet hat und sich auf halber Strecke zur Oberen Scharte befinden. Deshalb führe ich meinen Weg direkt fort um mir den Gipfel nicht mit der Gruppe teilen zu müssen.
Zunächst fällt der Weg leicht ab, bevor sich der Weg teilt. Ich habe die Wahl zwischen den Aufstieg zum Hirzer und den weiteren Abstieg Richtung Meran 2000. Ich wähle erst einmal den Aufstieg der mich an einem Grad entlangführt. Der Wind bläst so heftig über die Kante, dass ich froh bin, als ich wieder ein Stückchen tiefer bin. Wie bei den meisten Aufstiegen sind auch hier die letzten Meter vor dem Gipfel recht steil und birgt wieder einige Kletterpartien. Doch nach 5170 Schritten und 1h45 erreiche ich das Gipfelkreuz des Hirzer (2781m), dem höchsten Berg der Sarntaler Alpen.
Das Wetter ist traumhaft und ich kann bei wolkenlosem Himmel den Ausblick genießen. Von hier aus sehe ich die Ötztaler Alpen, die wir auf der Tour bereits bestiegen haben, sowie die Texelgruppe, Stubaier Alpen, Zillertaler Alpen und sogar die Ortlergruppe sowie die Dolomiten mit den Drei Zinnen.
Leider gibt es hier oben schon wieder keinen Stempel mehr. Also bleibt mir nur der Eintrag ins Gipfelbuch. Nun mache ich mich wieder auf den Abstieg der erst mal gefährlich beginnt, da ich denselben Weg wie beim Aufstieg benutzen muss und dieser recht steil und ungesichert ist. Hier kommt mir auch ein Teil der eben gesehenen Gruppe entgegen. Der Rest der Gruppe wartet an der Abzweigung an der ich meinen Abstieg zur Meraner Hütte fortsetze.
Mittlerweile ist es 11.40 Uhr und ich mache eine kleine Pause an einem Bach. Es ist Zeit für eine kleine Stärkung. Bei einem Marmeladenbrot lasse ich die Füße in das eiskalte Wasser baumeln und genieße die Sonne. Fünfzehn Minuten später gehe ich weiter.
Ich passiere gegen 12.35 Uhr den Kratzberger See. Leider ist es hier ziemlich überlaufen. Man bemerkt die Nähe zur Seilbahn, mit der viele Leute von Meran aus auf das Missensteiner Joch fahren. Von dort aus sind es 30 bis 60 Gehminuten bis zum See. Schade dass ich alleine unterwegs bin. Hier wäre ein perfekter Lagerplatz gewesen und Fische gibt’s auch in dem See. Ohne Rast gehe ich weiter.
Ich erreiche um 13.00 Uhr das Missensteiner Joch (2128m) und gönne mir einen kurzen Abstecher zum Gedenkkreuz des Jochs. Anschließend beginne ich den letzten kurzen Abstieg zur Hütte.
Um 13.30 Uhr erreiche ich dann auch  die Meraner Hütte (1960m). Nach 18344 Schritten und 5 Stunden 20 Minuten Gehzeit  erreiche ich mein heutiges Tagesziel. Mir gegenüber steht eine große Hütte und ich komme genau zum Mittagsgeschäft dort an. Im Eingangsbereich studiere ich erst einmal die Preisliste. Angesichts dieser Preise möchte ich am liebsten noch weiter gehen und irgendwo mein Zelt aufschlagen. Trotzdem entschließe ich mich dazu hier einen Lagerplatz zu nehmen, werde jedoch auf ein Frühstück verzichten. Ich springe erst einmal unter die Dusche.
Es ist 14.00 Uhr und ich sitze bei einem kühlen Eistee auf der Terrasse, genieße die Sonne und die schöne Aussicht. Ich blättere etwas im Wanderführer und schaue was mich morgen auf der letzten Etappe erwartet.
Wenn man hier so auf die Berghänge schaut sieht man kaum Bäume, da ich mich mitten im Skigebiet Meran 2000 befinde. Überall laufen Touristen herum, die alle keine Wanderschuhe haben und offensichtlich mit der Seilbahn rauf und wieder runter fahren. Ich muss grinsen, als ich mitbekomme wie jemand am Nachbartisch telefoniert und stolz erzählt, dass er heute mehrere Stunden gewandert ist und jetzt auf fast 2000 Metern ein Bier trinkt. Als erfahrener Wanderer kann ich aber nicht glauben, dass er mit diesen hellen Slippern mehrere Stunden gewandert ist.

Nach der vorletzten Etappe habe ich bereits 181846 Schritte hinter mir gelassen.




Tag 11 - 14. September 2011
Nach einer angenehmen Nacht – trotz zwei Schnarchnasen – im 10-Personen-Matratzenlager gehe ich um 7.35 Uhr ohne Frühstück los in Richtung Bozen. Es ist sehr neblig und angenehm kühl. Dieser Weg ist die letzte Etappe der Tour.
 Auf meinem Weg kurz vor Langfenn werde ich plötzlich von galoppierenden Hollandrindern, Milchkühen, und Hochlandrindern überholt. Noch nie habe ich diese Tiere so schnell rennen sehen. Es ist morgendlicher Almauftrieb, auch wenn es hier relativ eben ist. Die Rinder stören sich nicht an einem einsamen Wandersmann sodass ich einfach weitergehe. Egal wo man hinschaut, lädt die Landschaft zum verweilen ein und sieht aus wie aus schottischen und französischen Bilderbüchern.
Um 10.50 Uhr bin ich bereits in Langfenn (1527m) mit seiner schönen Kirche „St. Jakob auf Langfenn“. Laut Wanderführer müsste es jetzt schon Mittag sein. Doch es ist zu früh zum Mittagessen. Also setze ich meinen Weg fort.
Anderthalb Stunden später, also um 12.20 Uhr komme ich in Jenesien an. Mittlerweile befindet sich fast keine Wolke mehr am Himmel und man kann von hier aus auch die Dolomiten sehen.
Fünfzehn Minuten später erreiche ich dann auch die Bergstation der Seilbahn, die mich eigentlich nach Bozen bringen sollte. Gleichzeitig mit mir treffen noch zwei Leidensgenossen an der Station ein und wir stellen fest, dass die letzte Gondel vor der Mittagspause bereits vor 10 Minuten ins Tal gefahren ist. Die nächste kommt erst wieder um 15.00 Uhr. Wer braucht eine Mittagspause von fast 3 Stunden? Ich dachte die Spanier wären die einzigen die nach dem Mittagesen eine Siesta machen. Es bleibt uns also nichts anderes übrig als mit dem Bus ins Tal zu fahren. Nachdem wir uns nach der richtigen Haltestelle durchgefragt haben, müssen wir wieder ein Stück bergauf gehen. An der Haltestelle hängt noch der Sommerfahrplan, der nur bis zum 11.09. gültig war. Die Tour wird doch nicht etwa an den letzten Kilometern scheitern?! Wir hoffen dass der Bus zu denselben Zeiten fährt und machen es uns im Bushäuschen bequem. 20 Minuten später als auf dem Fahrplan angegeben kommt auch endlich der erwartete Bus. Für jeweils 2,50 € bringt uns der Busfahrer zum Bahnhof in Bozen.

Jetzt bin ich also in Bozen. Doch mein Tagesziel ist noch nicht erreicht. Zuerst muss ich zum Tourist-Info. Ich laufe 15 Minuten in der prallen italienischen Mittagssonne bis ich den Infostand erreiche. Dort lasse ich mir erklären welche Buslinie ich zum Campingplatz nehmen muss und kurze Zeit später befinde ich mich bereits auf dem Weg dorthin.
Von der Bushaltestelle am Krankenhaus muss ich nochmal 15 Minuten durch die Hitze bis ich endlich um 15.20 Uhr den Campingplatz erreiche. Doch was ist das? AN der Straße steht ein Schild auf dem steht: „Besetzt, auch für 1 Nacht“. Trotzdem versuche ich dort unterzukommen und glücklicherweise ist auf der Zeltwiese noch viel Platz. An der Rezeption kläre ich alle Formalitäten und beginne mein Zelt aufzubauen. Leider wird die Zeltwiese im Winter als zusätzlicher Stellplatz für Wohnwagen, wodurch der Boden sehr hart ist. Das trockene Wetter tut dann sein übriges dazu. Mit meinen Wanderschuhen bekomme ich so gerade die Heringe aufs nötigste eingeschlagen.
Nun habe ich mein Zelt hergerichtet und zum ersten Mal kommt bei mir das Gefühl auf, angekommen zu sein. Nach 28557 Schritten habe ich mein Etappenziel und auch das Tourenziel erreicht. Erstaunlicherweise habe ich mehr Schritte gemacht als bei unserer Mammut-Etappe nach Zams und bin viel früher am Ziel. Dennoch fühle ich mich gut. Aber heute war ich auch alleine unterwegs und konnte mein optimales Tempo gehen.
Es ist 21.30 Uhr und ich liege im Zelt.




Das war es also:


210403 Schritte,
10740 Hm Abstieg,
8770 Hm Aufstieg,
11 Tage,
3 Länder und
0 Blasen. 


Irgendwie ist die Zeit viel zu schnell vergangen. Aber dafür habe ich ja die Fotos zur Erinnerung. Trotzdem kommt bei mir ein bisschen Wehmut auf. Körperlich fühle ich mich wie nach einer Tagestour. Doch das ist eigentlich auch ganz gut so.

Es war eine unvergessliche Tour mit vielen tollen Erlebnissen, netten Leuten und schönen Landschaften. Einfach traumhaft. Bestimmt werde ich noch lange an diese Reise zurückdenken.

Morgen werde ich dann noch Bozen anschauen, ins Ötzi-Museum gehen und übermorgen besuche ich dann Gea und Ralf in Meran. Danach geht schon mein Zug zurück nach Aachen.

Nützliches

Pension Knitel
Kleine Pension in Holzgau. Direkt auf dem E5 gelegen. Große Gastfreundschaft und viel Komfort für wenig Geld.
Pension Knitel, z.Hd. Johanna Knitel, A-6654 Holzgau Nr. 64
www.holzgau.at


Haus Gigele
Kleine Pension in Zams. Auch zur späten Stunde noch sehr Gastfreundlich.
Haus Gigele, Hauptstraße 99, A-6511 Zams